Schäfflertanz

Erste Erwähnung

Nach unseren Recherchen wird der Münchner Schäfflertanz erstmals 1702 in den Archiven der Stadt München erwähnt. Dies geht aus dem Dokument, das sich im Stadtarchiv München befindet, hervor.

Aus dem untenstehenden Schreiben geht eindeutig hervor, dass die Schäfflerzunft beim Magistrat der Stadt München die Genehmigung zur Aufführung des Schäfflertanzes beantragt hat. Ein derartiger Antrag ist auch heute noch erforderlich. Über die Genehmigung zur Aufführung des Schäfflertanzes wird jeweils durch Stadtratsbeschluss entschieden. Außerdem müssen die einzelnen Tanzaufführungen beim Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München angemeldet werden.

Das Signat vom 22.02.1702 lautete:
…Ein Wohledel und wohlweiser Rath der Churfürstichen Haupt- und Residenzstadt Munchen hat einem gesambten Handwerk der Schäffler alldas auf beschehen untertheniges Bitten, und anlangen umb dass derselben Gesölln mit Zuziehung beeder Churfürstl. Preuhaus Schäfllergesölln auf der Hörwerg und in anderwegs (gleich wie es andre Jahr geschehen) den gewöhnlichen Schäfflertanz halten derfen, per signatum zu bedeithen großgütigst anbefolchen, dass die Gesölln der gesambten Statt-Maister mit Zuziehung der Meister bey beeden Churfürstl. Preuheusern ihrer Gesölln den Schäfflertanz (wie es vor alters her gebreichig gewesen) miteinander halten, in wüdrigen fahl aber sich dessen die sambentlichen Gesölln zur Verhiettung anderer inconvenientien bei Straff 6 Rhsdler völlig enthalten sollen…

Ursprung

Die Entstehung des Schäfflertanzes in München datiert vom Jahre 1517, woselbst in München die Pest auf grauenhafte Weise wütete. Die Pest herrschte in München mehrmals, nämlich in den Jahren 1463, 1515 und 1517. Die erste dieser Seuchen dauerte von Weihnachten 1462 bis Michaeli 1463. Aber auch noch später, im Jahre 1643 trat dieselbe nochmals auf und raffte die ungeheure Zahl von 15.000 Menschen weg. Bei dieser letzten Periode waren zwar die Vorsichtsmaßnahmen weit zweckmäßiger als bei den früheren Erscheinungen; trotzdem konnte derselben doch kein Damm gesetzt werden. Es waren damals in München nur zwei Tore offen, das Neuhauser- und das Isartor. Beide Tore waren stark bewacht und niemand durfte ohne Vorweisung der Gesundheitspässe und genaueste Untersuchung herein. Angekommene Briefe an Kaufleute wurden geräuchert und das Geld mit Essig gewaschen, ferner wurden an den Ein- und Ausgängen der Straßen eiserne Ketten befestigt, um dieselben nach der Quere zu ziehen, wenn die Ansteckung in der einen oder anderen Straße zu befürchten war. Da aber die Leute dessen ungeachtet durchschlüpften, so wurden die Straßen, in denen sich Pestkranke befanden, mit Brettern verrammelt, was namentlich in der Eisenmanns-, Damenstifts und Kreuzgasse der Fall war. Auf den Straßen wurden Feuer unterhalten und Wacholdersträucher verbrannt.
Während der Pest 1517 aber waren noch keine so umfangreichen Maßregeln getroffen und es starben Tausende dahin. Alles schwebte in furchtbarer Todesangst; außer den Totengräbern und Pesträucherern wurde niemand auf der Straße gesehen; die Landleute getrauten sich nicht in die Stadt und es trat großer Mangel an Lebensmitteln ein. Das Elend hatte die höchste Stufe erreicht und selbst nach dem Verschwinden der Pest wagte sich lange Zeit niemand aus dem Hause, aller Verkehr stockte. Die Ärzte konnten für dieses Übel nicht helfen und man befürchtete, dass dieser Zustand zu neuen Krankheiten Anlass gebe.

Da geriet ein einsichtsvoller Bürger, leider ist dessen Name nicht überliefert, auf den Gedanken, ein entgegengesetztes Mittel zu gebrauchen und die Leute, statt mit ihnen zu jammern und zu wehklagen, durch ein lustiges Schauspiel aufzuheitern. Dieser wackere Bürger gehörte zu der Zunft der Schäffler. Zur Ausführung seines Planes schlossen sich die Schäffler alle mutig an und auf seine Anregung ließen sich auch die Metzger herbei und es halfen alle getreulich zusammen, wodurch auch der Metzgersprung entstand, der von demselben Jahre datiert.

Tanzrhythmus

Der Schäfflertanz wird nur alle sieben Jahre aufgeführt.

Hierzu gibt es mehrere Vermutungen. Die gebräuchlichsten sind:
Die Pest soll in früherer Zeit alle sieben Jahre verstärkt aufgetreten sein. Man hat gehofft, durch die Aufführung des Schäfflertanzes in diesem Rhythmus der Pest Einhalt gebieten zu können.
Die Zahl sieben gilt in der Mythologie als Glückszahl. Es ist möglich, dass man aus diesem Grunde die Aufführung des Schäfflertanzes alle sieben Jahre wiederholt.
In München gab es früher neben dem Schäfflertanz noch mehrere Handwerksbräuche (z. B. den Metzgersprung der zur selben Zeit entstanden sein soll). Man darf annehmen, dass die Schäffler nach einem bestimmten Zeitplan der Zünfte eingesetzt wurden und dass dieser Zeitplan auch dann beibehalten wurde, als andere Gesellenorganisationen ihre öffentlichen Darbietungen unterließen.
Herzog Wilhelm IV gab damals aus Dankbarkeit den Schäfflern das Recht, alle sieben Jahre ihren Tanz aufzuführen.
In den Jahren 1730, 1746 und 1749 fanden nachweislich feste Tänze statt. Seit 1760 wird der Schäfflertanz alle sieben Jahre aufgeführt. In diesem Jahr ist der 7-jährige Turnus in den kurfürstlichen Kabinettsrechnungen nachweisbar. Es wird hier „vom alle sieben Jahre zur Fastenzeit gewöhnlichen öffentlichen Reiftanz“ gesprochen. Seit dem Jahr 1795 wurde der Schäfflertanz das erste Mal in den Münchner Tageszeitungen erwähnt (damals die sogenannte „Kurfürstlich gnädigst privilegierte Münchner Zeitung“).

Tanzfiguren

Einmarsch

mit Gruß und anschließender Aufstellung zum Kreis (Melodie: „Bayerischer Defiliermarsch“)

Schlange

Diese Figur soll den Lindwurm darstellen, der nach der Sage aus der Erde kroch und mit seinem giftigen Hauch die Pest über der Stadt und seiner Umgebung verbreitete.

Laube

Die Laube zeigt, dass sich die Menschen damals aus Angst vor dem „schwarzen Tod“ in Ihren Häusern einsperrten. Die Tänzer rücken bei dieser Figur auf engstem Raum zusammen.

Kreuz

Das Kreuz ist ein Symbol des Glaubens und der Hoffnung. Der christliche Glauben gewann in der Bevölkerung durch diese schreckliche Seuche noch mehr an Bedeutung.

Krone

Das Symbol des damaligen Herrscherhauses (die Wittelsbacher unter Herzog Wilhelm IV., der auch 1516 das Reinheitsgebot des Bieres verabschiedete). Den Schäfflern wurde zugleich als Dank und Mahnung gestattet, ihren althergebrachten Tanz alle 7 Jahre aufzuführen.

Vier kleine Kreise

Dabei drehen sich jeweils 4 Grüppchen von 5 Schäfflertänzern ineinander. Das soll bedeuten, dass sich nach Abklingen der schlimmen Seuche das Leben wieder zu drehen beginnt. Wie in dieser Tanzfigur angedeutet vier Zahnräder, die sich miteinander drehen. Man findet sich wieder.

Changieren

Jeder Schäfflertänzer hat seinen eigenen Buchsbogen in der Hand und tanzt jedem Kollegen zweimal entgegen. Das bedeutet, dass jeder sein Leben wieder selbst in die Hand nahm und alle begrüßt, die ihm entgegenkommen und dem „schwarzen Tod“ entronnen sind. Man kann auch sagen, dass das aneinander Vorbeitanzen ein Ausdruck von Lebensfreude darstellt.

Die drei Schäffler in der Mitte stellen das „Reifenauftreiben auf ein Fass dar“. Sie klopfen während des „Changierens“ im 3er Schlag im Takt der Musik. Mitunter zeigen die Drei an, dass trotz der neu gewonnenen Lebensfreude auch die Arbeit wieder zum Lebensalltag gehören soll, denn ohne Fleiß kein Preis.

Reifenschwung

Ein Reifenschwinger steht auf einem Fass und lässt kunstvoll einen Reifen mit einem gefüllten Weinglas über seinem Kopf kreisen, ohne einen Tropfen davon zu verschütten. Dieser Reifen symbolisiert den Kopf-, Hals- bzw. Bauchreifen, der die Dauben eines Fasses zusammenhält. Am Ende seiner Darbietung spricht der Reifenschwinger der umstehenden Bevölkerung neuen Lebensmut zu. Das „Gesundheit trinken“ ist auch eine Erinnerung an die frühere „Krankheit“.

Ausmarsch

 (Melodie: „Bayerischer Defiliermarsch“)

Kleidung

Tänzer

Der Schäfflertänzer, dessen grüne Schlegelkappe und die rote Jacke am Kragen nur ein breiter Silberstreifen ziert. Er trägt unter der weißen Weste einen kompletten Lederschurz (die typische Arbeitsbekleidung des Schäfflers), der am linken Oberschenkel zu einem Dreispitz heraufgeschlagen wird, damit er beim Tanzen nicht stört. Er trägt eine schwarze Pestschleife, ein Pestband und eine Schärpe mit dem bayrischen Wappen und dem Zunftwappen der Schäffler (die beiden Löwen tragen die Wittelsbacher Krone).

Charge (Vortänzer, Reifenschwinger, Fähnrich)

Die Chargen unterscheiden sich zum einfachen Schäfflertänzer dadurch, dass sich an seinem Kragen und an seiner Schlegelkappe eine zweite Silberborte befindet, die ihn als Chargen auszeichnet. Außerdem trägt der erste Vortänzer ein Zepter mit den Stadtfarben der Stadt München (gelb-schwarze in Streifen hängende Stoffbänder) und der zweite Vortänzer ein Zepter mit einer weiß-blauen Fahne für das Land Bayern.
Die Chargen, das sind die Verantwortungsträger, die den Tanz und die Gruppe führen.

Kasperl (ebenfalls ein Charge, da er wichtige Funktionen während des Tanzgeschehens übernimmt)

Bei den Hanswursten, also den Kasperln, die es seit 1802 in doppelter Ausführung im Schäfflertanzgeschehen gibt, wurde seither am Aufbau ihres Kostüms nichts mehr verändert. Die Farben der Rauten des Kostüms sind eine Mischung aus den Münchner Stadtfarben, den Landesfarben von Bayern und der Farbe der Schäfflerjacke und der Schlegelkappe eines Tänzers.
Die kleine Holzfigur, unter der sich schwarze Schminke befindet, am Gürtel des Kasperls erinnert an die Gretl mit der Buttn. Sie war eine Bauersfrau (ein Symbol), die während der Pest und nach deren Abklingen, Eier, Butter und andere Lebensmittel in die Stadt brachte. Sie wurde von den auf den Straßen tanzenden Gesellen der Schäfflerzunft mit einbezogen. Mit der Schminke schwärzen die Kasperl die Nasen der umstehenden Zuschauer. Dies soll an den schwarzen Tod erinnern, aber auch Glück bringen.

Wissenswertes

Ganz sicher hat sich der Münchner Schäfflertanz in der langen Zeit seines Bestehens in der Choreografie und in der Kleidung der Tänzer mehrmals verändert. Spricht man in früheren Veröffentlichungen von einem gewöhnlichen Tanz oder vom großen Achter, so hat sich der Schäfflertanz im Laufe seiner Geschichte zu einem äußerst schwierigen Reiftanz entwickelt, dessen Figurenfolge und Kompliziertheit des Tanzablaufs weit über den künstlerischen Wert anderer Volkstänze hinausgeht. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Schäfflertanz in die heutige Form ausgebaut und von dem königlichen Hofballettänzer Wilhelm Reithmeier einstudiert. Die Tänzer von 1858, 1865, 1872, 1879 und 1886 profitierten von seiner Kunst, den Tanz zu erlernen. Ein großer Stolz erfüllte jeden Schäfflergesellen, der bei diesem Ereignis teilnehmen durfte. Es war nur wenigen gestattet, das heißt das Auswahlverfahren war sehr streng gestaffelt und darum umso mehr ein Privileg.

Das Bild links – aus der Zeit um 1700 – zeigt Schäfflertänzer, deren Kleidung mit dem heutigen Schäfflerkostüm nicht mehr vergleichbar ist. Das heutige Schäfflerkostüm besteht seit 1872 und ist seither praktisch nicht verändert worden. In früheren Zeiten, was historische Stiche beweisen, war das Schäfflerkostüm was das Aussehen betraf, der derzeitigen Epoche untergeordnet.

Schon immer war der Münchner Schäfflertanz ein Tanz der Schäfflergesellen, der sicher auch dazu beitragen sollte, den kargen Lohn der Gesellen etwas aufzubessern. Schäfflermeister oder Söhne von Schäfflermeistern durften am Schäfflertanz nicht teilnehmen. Die Schäfflertänzer mussten unverheiratet sein, einen einwandfreien Leumund haben, gelernte Schäffler sein und mindestens seit zwei Jahren in München wohnen. Mit dieser Tradition musste erstmals 1963 gebrochen werden. Aus Personalmangel wurden auch verheiratete Schäffler zum Tanz zugelassen. Ab 1970 musste bereits teilweise auf berufsfremde Tänzer zurückgegriffen werden, um die Tradition des Münchner Schäfflertanzes aufrechterhalten zu können.

Seit 1871 wird der Münchner Schäfflertanz, von dem im selben Jahr gegründeten Fachverein der Schäffler Münchens organisiert und veranstaltet. Die Gründung des Vereins fiel in die Regierungszeit König Ludwigs II. (1864-1886). Aus dem Jahr 1886 stammt die heutige schwarz-gelb rautierte Tänzerfahne.

Der Schäfflertanz wurde seither nicht mehr verändert, wie man in der Illustration von 1886 erkennen kann.

Ein besonders schwarzes Jahr in der Geschichte des Schäfflertanzes war das Tanzjahr 1935. Die Nationalsozialisten wollten damals den Münchner Schäfflertanz für ihre Zwecke missbrauchen. Die Schäffler sollten unter der Hakenkreuzfahne marschieren. Da dieses vom damaligen Schäfflertanzkomitee abgelehnt wurde, wurde der Schäfflertanz zwar nicht verboten, aber in seiner Durchführung beträchtlich behindert. Insbesondere bekamen die Schäffler wesentlich weniger Auftritte als in den früheren und auch späteren Tanzjahren. 1942 musste der Schäfflertanz erstmalig seit 1760 infolge des 2.Weltkrieges entfallen.

Bereits 1949 tanzten die Schäffler wieder zwischen den Ruinen der schwer zerbombten Stadt München. Die Begeisterung der Bevölkerung war kurz nach dem Krieg so groß, dass die Schäffler ihren Tanzverpflichtungen kaum nachkommen konnten.

Im Tanzjahr 2026 wird der Schäfflertanz in München bereits seit 509 Jahren bestehen.

2026 in der Faschingszeit vom 06. Januar (Heilig-Drei-König) bis Faschingsdienstag am 17. Februar tanzen die Münchner Schäffler nach alter Überlieferung wieder auf den Straßen und Plätzen der Landeshauptstadt München, in Schulen, bei Firmen, Jubilaren und auf Faschingsbällen.

Vieles hat sich in dieser Zeit geändert: Wurde der erste Tanz früher jeweils vor dem Landesfürsten aufgeführt, so gilt der erste Tanz heute dem Ministerpräsidenten und dem Oberbürgermeister. Im Turm des neuen Rathauses (erbaut 1867-1874 von Georg von Hauberrißer) ist das Glockenspiel mit seinen insgesamt 43 Glocken täglich um 11.00 Uhr und um 12.00 Uhr, sowie von Mai bis Oktober zusätzlich um 17.00 Uhr, ein Hauptanziehungspunkt für Touristen und Einheimische. In diesem Glockenspiel sieht man die Schäfflertänzer, die sich um ihre mit Buchsumbundeten Bögen drehen. In der Mitte auf dem Faß thront ein „Kasperl“ der als Spaßmacher dirigiert. Hier hat der Schäfflertanz, der zu München gehört wie die Isar, die Frauenkirche, der alte Peter oder die Stadttore nach allen Himmelsrichtungen, seinen Stand bildlich sowie durch das Glockenspiel auch musikalisch sein Zuhause inmitten der Stadt.

Konnten die Schäffler im vorigen Jahrhundert in der noch kleinen Stadt München ihre Auftritte zu Fuß bewältigen, so sind sie heute in der Millionenstadt München auf einen Reisebus angewiesen, um ihre ca. 400 Auftritte in allen Teilen der Stadt pünktlich und zur Freude der Münchener Bürger aufführen zu können.